von Blog: Mandi / Fotos: Caroline
•
16 Juni, 2023
In der Baia Mondello, rund 30 nm vor San Vito lo Capo, finden wir einen karibisch anmutenden Strand, etwa fünfzig kleine Motorboote mit jungen Pärchen und Partygruppen, einige Motoryachten und wenige Segler. Es ist Pfingstsonntag, strahlend blauer Himmel und jeder und jede ist auf den Beinen und macht einen Bootsausflug. Es herrscht ausgelassene Stimmung, laute Musik plärrt vom Strand und von einigen Booten rüber. Wir entscheiden zu bleiben und werfen Anker. Herrlich. Wir baden, trinken Campari Orange und fühlen uns als Teil dieses Spektakels. Kaum schlägt die Uhr Sechs, leert sich der Strand und neunzig Prozent der Boote verschwinden in ihre Stammhäfen. Wir sind plötzlich fast allein und verbringen eine richtig erholsame Nacht ohne Dünung, ohne Lärm und ohne, dass uns irgend jemand seinen Anker vor die Nase wirft und uns die ganze Nacht vor dem Bug rumturnt. Ankerliegen hat so seine eigene Dynamik. Rücksichtsvolle Segler wägen je nach Wassertiefe sorgfältig ab, wie denn der Schwojkreis bei den zu erwartenden Winden verläuft und wie man vermeidet, die Intimsphäre der Nachbarlieger zu verletzen. Wenn der Platz reicht, was jetzt ausserhalb der Hauptsaison meist der Fall ist, nimmt man gebührend Abstand und hält sich fern allfälliger Ankerketten der Nachbarn. Es genügt meist, das Gehirn einzuschalten und etwas nachzudenken oder, was nicht verboten ist, auch beim Nachbarn nachzufragen. Getreu unserer Regel, dass es halt auch bei den Seglern die zehn Prozent A…..löcher gibt, trifft es uns immer wieder, dass, meist, wenn man beim Nachtessen Kochen oder beim Zubereiten eines Apéroplättchens ist, irgendein Vollidiot mit Volldampf mitten in die Gruppe von Ankerliegern hineindonnert und seinen Anker irgendwo dazwischen runterknallt, einen Haufen von Kette draufschmeisst und dann mir nichts dir nichts in die Gruppe schaut, als wäre das das Natürlichste auf der Welt und hochprofessionell abgelaufen. Bei aufkommendem Wind schläft es sich dann nicht so gut, weil man ständig damit rechnen muss, dass das Schiff des besagten Idioten ins Eigene reinschwojen könnte. Manchmal nehmen wir solche Dinge gelassen – wir haben ja ein Aluschiff – oder regen uns masslos auf. Bis jetzt haben wir es ohne Zusammenstoss geschafft, manchmal aber nur knapp.
Am Pfingstmontag erreichten wir San Vito lo Capo, unseren Ausgangspunkt für den langen Schlag nach Sardinien. Das Wetter sah nach dem 4.6.2023 dafür aus. Weil wir uns auch verproviantieren mussten und rund dreihundert Liter Diesel bunkern wollten, kam nur eine Marina in Frage. Caroline hatte sich in den letzten Wochen zur wahren Expertin für Routen, Wetter, Ankerplätzen und Marinas entwickelt und ist in der Lage, für jede Situation die günstigste Lösung zu finden. Eine solche Recherche kann gut und gerne einige Stunden dauern. Im Gegensatz zu den Griechen und Türken, haben die Italiener die Segler als Quelle unerschöpflicher Geldflüsse entdeckt und zocken einen jetzt dermassen ab, dass einem manchmal schier der Atem stockt. Wenn man nicht aufpasst, bezahlt man für einen heruntergekommenen Steg, bar jeder Infrastruktur und meist noch ziemlich ungeschützt, ausserhalb der Saison locker zwischen 60 bis 80 Euro die Nacht. Für eine Marina, die den Namen wirklich verdient, ist das Band nach oben offen und kann locker auf 100 Euro und mehr pro Nacht gehen. Wir haben auf unserer Landtour in Sizilien, fünfsterne B&Bs mit Morgenbuffets, Parkplatz und bester Lage für die Hälfte bekommen. Aber da waren wir ja keine Segler!!
Um ehrlich zu sein, verdirbt einem das schon ein bisschen die Laune. Unsere Gespräche mit anderen Fahrtenseglern haben gezeigt, dass diese Preispolitik langsam allen auf den Sack geht und die meisten so oft wie möglich ankern. Die Budgets würden sonst schlicht nicht ausreichen, will man doch mal in ein Restaurant essen gehen oder eine Flasche Wein geniessen. Das gehört ja auch zum Erlebnis, ein Land kennenzulernen. Wie gesagt, hatte Caroline in San Vito die einzige erschwingliche Marina – Diporto Nautico Sanvitese – für 60 Euro gebucht, und wir legten uns nach dem Tanken für fünf Tage an den Schwimmsteg. Das Personal ist sehr nett und die zwei, ja ZWEI, WC/Duschen sind sauber! Wie das hier während der Saison zu und her gehen soll, entzieht sich meinem Verstand. Wir mieteten uns ein Auto, besuchten Erice und dort die gefühlt tausendste Kirche auf Sizilien, notabene wie immer an Land bei strömendem Regen und vertaten uns in San Vito mit gutem Essen und Trinken und einer schönen Velotour. Der Ort ist sehr touristisch, macht aber mit den sehr netten Leuten und toller Infrastruktur wirklich Freude.
Unser Liegeplatz inmitten kurzer Muringleinen, wenig Manövrierraum und meist Winden auf die Seite, lässt uns die Nacht vor dem langen Schlag von ca. 165 nm nach Sardinien vor Anker verbringen. Wir wollten nicht um sechs Uhr morgens alle Nachbarn wecken.
Um sechs Uhr am nächsten Morgen gings los. Wir rechneten mit bis zu 40 Stunden. Im Zweistunden-Modus hielten wir Wache. Wie immer verliess uns der Wind, dafür bekamen wir den Streifen eines Gewitters ab und natürlich wurde es in der Nacht arschkalt. Wir trugen die Jacken, die Oelhosen und darunter Leggings und geschlossene Schuhe. Unsere Gore Tex Stiefel von Du Barry hatten sich bereits in Griechenland aufgelöst. Die Kunststoffschicht zwischen Sohle und Oberschuh ist zerbröselt. Soviel zu der beworbenen Qualität!!!!
Da wir den Motor bemühen mussten, kamen wir mit über fünf Knoten gut voran und selbst Delfine liessen es sich nicht nehmen, uns trotz Lärm ein Stück zu begleiten. Wir hatten schon im Norden von Sizilien immer wieder ganze Gruppen von Delfinen um uns. Manchmal lieferten sie sich ein Rennen mit uns und sprangen parallel zum Bug aus dem Wasser. Tolle Tiere!
Bereits am frühen Nachmittag erreichten wir Villasimius und legten uns in der Bucht vor Buganker schlafen. Sardinien hatte uns wieder. Da wir die Westküste bereits kannten, wollten wir uns der Ostküste hoch hakeln und dann in Olbia ausklarieren. Ueber Villaputzu bei Porto Corallo und eine Ankerbucht bei Sverracavallo erreichten wir Arbatax und legten uns in die gleichnamige Marina. Wir blieben zwei Tage. Der Ort ist nichts besonderes, aber die Menschen sind dermassen nett und freundlich, dass es einen richtig anmacht dazubleiben. Am zweiten Tag regnete es in Strömen und wir entschieden, im Marinarestaurant – ein wahrer Geheimtipp – zu lunchen. Und wers glaubt, Doris und Rolf, aus Muttenz, laufen ein und wollen ebenfalls dem Regen entrinnen. Wir luden sie kurzerhand an unseren Tisch und verbrachten die kommenden acht Stunden vertieft in angeregte Gespräche. Erst bei Dunkelheit trennten wir uns um ein herrliches Erlebnis reicher wieder von ihnen. Etwas klamm, alles war feucht uns nass, gings am nächsten Tag nach Cala Genepro, wo wir einen sonnigen Nachmittag vor einem Traumstrand verbrachten und wieder einmal versuchten, ein Stück Rindfleisch zart zu grillen. Nun ja, die Südländer lassen das Fleisch einfach zu wenig lange reifen, so wird das jedes Mal zu einer guten Trainingssession der Kaumuskulatur. Schmecken tuts trotzdem und Spass macht die Grillerei an Bord auch. Jetzt sind wir bereits wieder eine Bucht weiter und liegen rund 16 nm vor Olbia. Wir freuen uns jetzt schon auf den Behördengang, der üblicherweise Stunden dauern kann. Schiffe unter Schweizer Flagge müssen auch in EU Ländern beim Zoll ein-/resp. ausklarieren. Was für uns Schengener, nämlich Grenzen unkontrolliert zu passieren, schon fast alltäglich geworden ist, gilt nicht für die Seeschifffahrt. Hier heisst es, anmelden, Dokumente ausfüllen, Stempel holen, wieder abmelden, Stempel holen etc. etc. Der Weg zur freien Passage hat hier noch einen langen Weg vor sich.